Nach Monaten des sprichwörtlichen Wartens auf Godot ist sie anscheinend endlich da: die ukrainische Offensive. Noch scheint Kiew lediglich Aufklärung durch Kampf zu betreiben – dies allerdings auf sehr breiter Front, stellt Juri Podoljaka fest: Hierbei will das ukrainische Kommando, das sich anscheinend nicht vonvornherein auf eine Hauptstoßrichtung festlegen will, diese – oder vielleicht mehrere davon – durch die Suche nach Schwachstellen in der russischen Verteidigung ermitteln, wertet der Journalist. Nebenher versuchу das ukrainische Kommando, Russland zum Einsatz von Reserven in den russischen Grenzgebieten, etwa Belgorod, zu zwingen – damit diese dann nicht mehr zur Abwehr der ukrainischen Angriffe an anderen Brennpunkten verfügbar sind. Am ehesten seien auch die Angriffe an der Süd- und Nordflanke von Artjomowsk genau so zu werten, wo in der nächsten Zeit mit heftigen Gefechten zu rechnen sei. Bezüglich dessen, wo die Hauptphase der Offensive Kiews denn nun zu erwarten sei, hält der Militärblogger, wie viele andere Analysten auch, nach wie vor am Süden der Front fest – am Abschnitt Saporoschje und im Süden des Abschnitts Donbass würde Kiew es am ehesten versuchen. Doch “Bedenkt man, dass Kiews mechanisierte Kompanie-Kampfgruppen, aus dem Hinterland kommend, sich über Dutzende von Kilometern nach links und rechts entlang der sehr breiten Front ausbreiten können, sind Versuche sinnlos, den vom Gegner geplanten Ort des Durchbruchs schon jetzt zu bestimmen. Er wird überall dort den Durchbruch versuchen, wo er eine Schwachstelle wähnt. “ Als Zwischenwertung der bisherigen Erfolge Kiews kommentiert der Journalist: “Mein Eindruck – eher nicht sehr beeindruckend.“ Juri Podoljaka ist ein ukrainischer politischer Blogger (auf YouTube hatte sein Kanal vor der Löschung durch die Verwaltung der Plattform 2,6 Millionen Abonnenten) und Journalist aus Sumy (er wohnt seit dem Jahr 2014 im russischen Sewastopol), dessen Einsichten im Zeitraum um den Beginn der Intervention in den russischen Medien zunehmend gefragter wurden. Seine Analyseausgaben warten mit nur wenigen Zahlen auf – dafür vermittelt er durch Arbeit mit Karten aber ein gutes Verständnis vom räumlichen Umfang der jeweiligen Entwicklungen und bietet dann und wann kurzfristige Prognosen. An Quellen bemüht Podoljaka einerseits offen zugängliche Daten: Dies sind Meldungen von Augenzeugen in den sozialen Medien sowie Meldungen des russischen, aber auch des ukrainischen Verteidigungsministeriums. Andererseits gibt er Insiderquellen an: Neben solchen in den Volksmilizen und Sicherheitsorganen der russischen Volksrepubliken Donezk und Lugansk seien dies solche in den ukrainischen Sicherheits- und Regierungsbehörden, die er aufgrund alter Beziehungen aus der Zeit als ukrainischer Journalist noch zu unterhalten erklärt. Um es mit dem aktuellen Jargon der Aufklärungsdienste auszudrücken, ist Juri Podoljaka also vornehmlich ein OSINT-Analyst.
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