In vielerlei Hinsicht unterscheidet sich die moderne Kriegsführung von der des Zweiten Weltkrieges doch sehr stark – oft genug auch vom taktischen Vorgehen her. Umso überraschender ist es, wenn eine der Seiten (fast schon ausnahmsweise) eine Taktik streng nach Lehrbuch anwendet – und damit auch noch Erfolg hat. So sind am 02. Februar 2023 die 144. und die 3., beides streng konventionelle motorisierte Schützendivisionen der russischen Streitkräfte, nördlich von Sewersk auf breiter Front mehrere Kilometer vorgerückt, hält Juri Podoljaka fest. Damit engen sie die Nordflanke der ukrainischen Garnison dieser Stadt empfindlich ein. Südlich von Sewersk sind Truppen des russischen privaten Militärunternehmens Wagner mit der Befreiung von Nikolajewka – nördlich von Soledar gelegen, ebenso wie das benachbarte, am Vortag befreite Dorf Sacco i Vanzetti – ihrem Zwischenziel einen Schritt nähergekommen: Swjato-Pokrowskoje, einem Vorort von Sewersk. Ist die durch diese Ortschaft verlaufende Straße gekappt, bleibt in ukrainischer Hand nur noch eine Straße nach Sewersk – und selbst diese kann dann gleich vom Norden und vom Süden aus mit Artillerie beschossen werden, sprich: Das ukrainische Aufgebot in Sewersk kann über diese Straße dann weder versorgt noch rotiert oder evakuiert werden. Eine ähnliche Entwicklung ist aktuell bei Artjomowsk zu beobachten – hier ist Russlands Militär mit Artillerievorbereitungen und Luftangriffen gegen ukrainische Stellungen bei Iwanowskoje beschäftigt, bevor dieser Ort erstürmt und so eine wichtige Versorgungsstraße nach Artjomowsk gekappt werden kann. Bereits jetzt soll aus Kiew ein Befehl an die Artjomowsker Garnison vorliegen, die Stadt schrittweise zu räumen. Juri Podoljaka ist ein ukrainischer politischer Blogger (auf YouTube hatte sein Kanal vor der Löschung durch die Verwaltung der Plattform 2,6 Millionen Abonnenten) und Journalist aus Sumy (er wohnt seit dem Jahr 2014 im russischen Sewastopol), dessen Einsichten im Zeitraum um den Beginn der Intervention in den russischen Medien zunehmend gefragter wurden. Seine Analyseausgaben warten mit nur wenigen Zahlen auf – dafür vermittelt er durch Arbeit mit Karten aber ein gutes Verständnis vom räumlichen Umfang der jeweiligen Entwicklungen und bietet dann und wann kurzfristige Prognosen. An Quellen bemüht Podoljaka einerseits offen zugängliche Daten: Dies sind Meldungen von Augenzeugen in den sozialen Medien sowie Meldungen des russischen, aber auch des ukrainischen Verteidigungsministeriums. Andererseits gibt er Insiderquellen an: Neben solchen in den Volksmilizen und Sicherheitsorganen der russischen Volksrepubliken Donezk und Lugansk seien dies solche in den ukrainischen Sicherheits- und Regierungsbehörden, die er aufgrund alter Beziehungen aus der Zeit als ukrainischer Journalist noch zu unterhalten erklärt. Um es mit dem aktuellen Jargon der Aufklärungsdienste auszudrücken, ist Juri Podoljaka also vornehmlich ein OSINT-Analyst.
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