Dmitrij Schostakowitschs Sinfonie Nr. 4 c-Moll op. 43 spielte das WDR Sinfonieorchester unter der Leitung seines damaligen Chefdirigenten Semyon Bychkov im März 2007 in der Kölner Philharmonie. Historische Aufnahme aus dem WDR Klassik-Archiv. 00:00:00 I. Allegretto poco moderato – Presto – Tempo uno 00:27:45 II. Moderato con moto 00:36:38 III. Largo – Allegro WDR Sinfonieorchester Semyon Bychkov, Leitung Hans Hadulla, Regie ► Mehr zum Sinfonieorchester, zu Konzerten und aktuellen Livestreams gibt es bei ► Das WDR Sinfonieorchester bei Facebook ○ Werkeinführung Wohl nur wenige Komponisten standen zeitlebens so unter Beobachtung von Politik und Öffentlichkeit wie Dmitrij Schostakowitsch. Nachdem Stalin das Potential seiner Musik erkannt und für seine Zwecke einzuspannen suchte, stand der Komponist unter strenger Kontrolle durch die Kommunistische Partei und den Komponistenverband der UdSSR. Schostakowitschs Psyche und Konstitution litten stark darunter. Da Stalins Säuberungspolitik auch bekannte Personen wie seinen Freund, den Regisseur Meyerhold, nicht verschonte, plagten ihn seit Mitte der 1930er-Jahre Verfolgungsängste. Schostakowitsch, der Nacht für Nacht mit gepacktem Koffer neben dem Fahrstuhl seiner Leningrader Wohnung auf seine Verhaftung durch die Geheimpolizei wartet – so schilderte es Julian Barnes vor wenigen Jahren in seinem berührenden Buch »Der Lärm der Zeit«. Zweimal wurde Schostakowitsch seitens der Partei massiv kritisiert und öffentlich denunziert. Zum ersten Mal übernahm das im Januar 1936 die »Prawda« mit dem vernichtenden Artikel »Chaos statt Musik«. Der wohl von Stalin selbst geschriebene und lancierte Verriss über die bis dato erfolgreiche Oper »Lady Macbeth von Mzensk« kam einem kompletten Aufführungsverbot gleich. Unter diesen Umständen war an die Premiere der 4. Sinfonie, an der Schostakowitsch seit 1935 arbeitete, nicht zu denken. So zog der Komponist sie vorsichtshalber zurück. Die Uraufführung erfolgte erst 25 Jahre später am in Moskau. Dmitri Schostakowitsch gilt als bedeutende Gestalt der sowjetrussischen Musikgeschichte und überragender Symphoniker des 20. Jahrhunderts (nach Mahler). Seine 4. Sinfonie ist in vielerlei Hinsicht besonders: in der beeindruckenden Orchesterstärke mit über 100 Mitwirkenden und aufgrund ihrer experimentierfreudigen Klangsprache und individuellen Formgebung. Zwei aus-gedehnte Ecksätze, gleichsam zwei wilde und exzentrische Gedankenströme, konfrontieren die Hörer*innen mit einer Welt, die zweifellos aus den Fugen geraten ist. Das Menschliche droht in der Konfrontation mit brutalem Maschinensound (stalinistischer Terror ?) im ersten Satz bzw. banalem Allerweltsgetöse (dritter Satz) unterzugehen. Krzysztof Meyer, Freund und Biograf des Komponisten, beschreibt die 4. Sinfonie als »eines der erschütterndsten und tragischsten Werke Schostakowitschs«.
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