Reinhard Mey - Das Meer 2004 Der Wind hat gedreht, und die Flut kommt herein, Dunkelgrau mit einem silbrigen Schein, Und über die Mole, da fliegt schon die Gischt, Wenn die Welle aufläuft und die Brise auffrischt. Mit einem Mal füll'n sich die Priele im Sand, Und über den kahlen, verlassenen Strand Treibt der Wind trock'ne Algen und Schaum vor sich her. Es ist da, das gewaltige, ewige Meer. Auf hellem Türkis tanzen glitzernde Lichter, Auf teerschwarzer Brandung weiss schäumende Wut. Es hat tausend Farben und tausend Gesichte, Im ewigen Wechsel von Ebbe und Flut. Erfüllt von Geschichten aus uralten Tagen, Beladen mit Spuk und Spökenkiekerei'n, Umwoben von Märchen, Legenden und Sagen. Wieviele Geheimnisse schliesst es wohl ein? Wir bringen ihm einen erbärmlichen Dank. Die Pflanzen zerstört und das Seegetier krank, Was da kreuchte und fleuchte verendet im Teer, Wir verseuchen das Meer und misshandeln es schwer. Die Ufer verpestet und übel schimpfiert, Von Zimmervermietern zubetoniert, Von Pissbuden und Imbissständen gesäumt, Doch es kommt eine Flut, die das alles wegräumt! Und tobend und tosend schlägt es an die Klippen. Mit ungebrochener Urgewalt, Ich schmecke den salzigen Staub auf den Lippen, Nein, das Meer das ergibt sich uns wohl nicht so bald! Wie wir es vergiften, missachten und schänden, Wir stören nicht lange sein Gleichgewicht. Es wird uns nur abschütteln von seinen Stränden, Wir brauchen das Meer doch das Meer braucht uns nicht!
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