Prof. Dr. sc. phil. Siegfried Prokop im Gespräch mit Michael Friedrich Vogt In einer turbulenten Nachtsitzung am 23. Januar 1958 zur Außenpolitik Adenauers erinnert der FDP-Politiker Thomas Dehler erregt an das Geschehen im Jahr 1952. Die damals auf dem Tisch liegende diplomatische Note Josef Stalins sei eine Möglichkeit zur Wiederherstellung der Einheit gewesen, man habe aber nicht einmal versucht, ein Wort zu wechseln. “Wenn wir überdenken, was wir 1952 ausgelassen haben“, attackierte der FDP-Abgeordnete Thomas Dehler am 23. Januar 1958 im Bundestag Konrad Adenauer. “Die Sowjetunion bietet uns nationale Streitkräfte an, so wie wir sie heute auf Grund der Westeuropäischen Union und der Pariser Verträge haben, und die drei Westmächte lehnen dieses Angebot auf Veranlassung des Bundeskanzlers ab.“ Die Stalin-Note sei eine Möglichkeit zur Wiederherstellung der Einheit gewesen - die Regierung aber habe nicht einmal versucht, den Vorschlag zu prüfen: “Hier, Herr Bundeskanzler, haben Sie bewiesen, daß Sie alles taten, um die Wiedervereinigung zu verhindern.“ Adenauer, der rheinische Separatist und „amerikanischer als die Amerikaner“, der „Kanzler der Alliierten“(Kurt Schumacher) lehnte in der für die BRD seit dem typischen Art und Weise entgegen der Mehrheit der Wähler, entgegen dem klaren Willen des Souveräns, ohne Rücksprache mit seinem eigenen Kabinett und faktisch ohne eine parlamentarische Rückendeckung die Vorschläge Stalins im Jahre 1952 zur Wiederherstellung der Deutschen Einheit ab. Und daß Adenauer genau wußte, daß er gegen den Willen des deutschen Volkes handelte, zeigt sein Eingeständnis 1955 gegenüber Sir Ivone Kirckpatrick: Er zöge die Westintegration der Wiedervereinigung vor, weil er kein Vertrauen zum deutschen Volk habe. Stalin hatte im März 1952 (!) in einer ersten Note an die Westalliierten vorgeschlagen, wovon die BRD heute noch weit entfernt ist: 1. Deutschland wird als einheitlicher Staat wiederhergestellt. Damit wird der Spaltung Deutschlands ein Ende gemacht, und das geeinte Deutschland gewinnt die Möglichkeit, sich als unabhängiger, demokratischer, friedliebender Staat zu entwickeln. 2. Sämtliche Streitkräfte der Besatzungsmächte müssen spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des Friedensvertrages aus Deutschland abgezogen werden. Gleichzeitig werden sämtliche ausländische Militärstützpunkte auf dem Territorium Deutschlands liquidiert. 3. Dem deutschen Volke müssen die demokratischen Rechte gewährleistet sein, damit alle unter deutscher Rechtsprechung stehenden Personen ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion die Menschenrechte und die Grundfreiheiten genießen, einschließlich der Redefreiheit, der Pressefreiheit, des Rechts der freien Religionsausübung, der Freiheit der politischen Überzeugung und der Versammlungsfreiheit. 4. In Deutschland muß den demokratischen Parteien und Organisationen freie Betätigung gewährleistet sein; sie müssen das Recht haben, über ihre inneren Angelegenheiten frei zu entscheiden, Tagungen und Versammlungen abzuhalten, Presse- und Publikationsfreiheit zu genießen. 5. Auf dem Territorium Deutschland dürfen Organisationen, die der Demokratie und der Sache der Erhaltung des Friedens feindlich sind, nicht bestehen. 6. Allen ehemaligen Angehörigen der deutschen Armee, einschließlich der Offiziere und Generale, allen ehemaligen Nazis, mit Ausnahme derer, die nach Gerichtsurteil eine Strafe für von ihnen begangene Verbrechen verbüßen, müssen die gleichen bürgerlichen und politischen Rechte wie allen anderen deutschen Bürgern gewährt werden zur Teilnahme am Aufbau eines friedliebenden, demokratischen Deutschland. 7. Deutschland verpflichtet sich, keinerlei Koalitionen oder Militärbündnisse einzugehen, die sich gegen irgendeinen Staat richten, der mit seinen Streitkräften am Krieg gegen Deutschland teilgenommen hat. Heute ist aufgrund der Aktenlage klar: • Stalins Angebot war ernst gemeint; • die Westmächte hatten vor, das Angebot von Stalin auszuloten; • Adenauer hat jeglichen Versuch in diese Richtung erfolgreich unterbunden. Mit der Ablehnung insbesondere der 3. Stalinnote mit dem Angebot freier Wahlen wurde 1952 die Chance zur Einheit Deutschlands verpaßt, womit Adenauer seinen Eid und den Auftrag des Grundgesetzes verraten hat, und die BRD wurde in das westliche Militärbündnis integriert – und damit seitdem und bis heute mitschuldig an den Aggressionen und Kriegen des Westens. Website: Publikationen: Siegfried Prokop (Hrsg.), Ein Streiter für Deutschland. Auseinandersetzung mit Wolfgang Harich Rolf Steininger, Eine vertane Chance. Die Stalin-Note vom 10. März 1952 und die Wiedervereinigung. Eine Studie auf der Grundlage unveröffentlichter britischer und amerikanischer Akten
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